top of page

Gedanken zu einer agilen Wirtschaft und Gesellschaft mit Corona

Aktualisiert: 21. Apr. 2020

Seit zwei Wochen hat die Diskussion begonnen, wie lange der aktuelle Shut-Down durchzuhalten ist. Es wird abgewogen zwischen dem gesundheitlich notwendigen Schutz vor Ansteckung und der (Un-)Möglichkeit, das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben mittel- bis langfristig anzuhalten. Die Einen rufen nach Verständnis und Durchhaltevermögen. Die Anderen rufen nach möglichst schneller Wiederöffnung. Die Fortschritte in dieser Diskussion sind begrenzt und die beiden Pole stehen sich scheinbar relativ unvereinbar gegenüber. Letztlich ist eigentlich Jedem klar, dass es beides braucht: Wir brauchen, wenn kein plötzliches Wunder geschieht, sicher noch 4-12 Monate wirksamen Schutz vor der ansonsten schnell wieder grassierenden Ansteckung UND einen Schutz vor gesellschaftlicher Paralyse und wirtschaftlichem Kollaps. Daher ist aus meiner Sicht die wichtigste Frage nicht, wie lange können wir den Shutdown noch gesellschaftlich ertragen, durchhalten und zumuten - sondern: Wie können wir unsere gesellschaftlichen Organisationen so schnell und umfassend wie möglich auf eine agile Pandemiegesellschaft und -wirtschaft umstellen. Wir brauchen nicht Schutz oder gesellschaftliche Aktivität, sondern so viel wie möglich von beidem. Es geht m.E. eben nicht um Durchhalten, sondern um flexible Anpassung. Es geht eben nicht um Rückkehr zum Normalzustand, sondern um schnellstmögliche Neuausrichtung von Gesellschaft und Wirtschaft. Schulen müssen so schnell wie möglich umfassend erlernen, wie sie die Lernenden so effektiv wie möglich persönlich, interaktiv und lebendig mittels Online-Lernformaten begleiten können, ohne dabei die Schwächsten zu verlieren oder gar nicht erst zu erreichen. Unternehmen und Soloselbständige brauchen nicht nur eine Förderung zum Überleben des Shutdowns, sondern ganz besonders eine Begleitung, Ihre Businessmodelle und Funktionsweisen so schnell wie möglich den neuen und sicher immer wieder verändernden Bedingungen der Pandemiegesellschaft anzupassen. Wir brauchen die Förderung dringend, gleichzeitig ist es für unsere Gesellschaft essentiell, dass diese so wenige wie möglich in Anspruch nehmen, wenn wir auch in einem halben Jahr noch eine handlungsfähige Gesellschaft haben wollen.


Wir haben im Team des Freiburg Instituts in den letzten 2-3 Wochen vielen Unternehmen dabei geholfen, ihre Funktionsweise auf die neuen Bedingungen des Homeoffice anzupassen. Wir haben Führungskräfte im Umgang mit steigender Unsicherheit in Ihren Teams geschult und tun dies immer noch. Um funktionsfähig zu bleiben, ist es aktuell entscheidend, trotz der erschwerten Bedingungen des Homeoffice mit seinen Teams den guten, effektiven und vertrauensvollen Kontakt zu stärken. Im Angesicht der unsicheren Veränderungen braucht es flexiblen Fokus, stärkende Positivität und gegenseitiges Vertrauen mehr denn je. Und diese sollten von Führungskräften vorgelebt und gezielt gestärkt werden. Das benötigt deutlich mehr Zeit für Führung, die gemeinsame Anpassungsleistung in den Teams und auch deutlich mehr persönliche Sensibilität und soziale Kompetenz von Führungskräften und Kolleg*innen. Und es braucht neue Kompetenzen in der Nutzung der Onlinetools und -methoden, um virtuelle Teammeetings lebendig und interaktiv zu gestalten oder auch sensible Diskussionen wirklich offen und konstruktiv auszudiskutieren oder kreative Prozesse zu moderieren. Das sind neue Basiskompetenzen für eine agile Pandemiewirtschaft und -gesellschaft.


Für die nächsten Wochen steht darüber hinaus eine noch wichtigere Frage an, die für die nächsten Monate für uns als Gesellschaft, als Unternehmende und als Unternehmensberatende entscheidend sein wird: Wie können wir die Businessmodelle der Unternehmen den neuen Rahmenbedingungen anpassen. Und wie können wir die Chance der Krise und die unvermeidlichen unternehmerischen Veränderungen nutzen, um unsere Geschäftsmodelle auch für die Zeit nach der Krise neu und dauerhaft nachhaltig auszurichten? Viele Businessmodelle und Unternehmenszwecke sind wahrscheinlich für Wochen oder Monate, vielleicht sogar 1-1,5 Jahre unmöglich oder zumindest deutlich erschwert. Die Fähigkeit unserer Gesellschaft, diese Krise erfolgreich zu bewältigen, hängt davon ab, wie agil und kreativ unsere Organisationen sind, sich diesen Bedingungen flexibel anzupassen. Hierin gibt es viele Abstufungen. Manche Organisationen haben weiterhin einen wichtigen Sinn, aber es ist für Sie deutlich erschwert, Kontakt zu Ihren Partnern oder Kundinnen aufzunehmen. Nehmen wir nur unsere Branche der Trainer, Beraterinnen und Coachs. Der Beratungsbedarf für Organisationen und Menschen ist wie eben geschildert so hoch wie nie zuvor. Gleichzeitig können wir keine oder kaum noch persönliche Schulungen und Beratungen mehr durchführen – ein Großteil des alten Geschäfts ist weggebrochen. Wie können wir so schnell wie möglich, die drängenden Themen der Zeit in einem Format anbieten, das mit Schutz vor Ansteckung weiterhin möglich ist? Oder Forschungseinrichtungen, deren Industriepartner plötzlich in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten oder auf normalem Wege wie Messen und Konferenzen nicht mehr erreichbar sind. Der Forschungsbedarf in der Gesellschaft ist sicherlich weiterhin hoch, aber sicher verschieben sich auch Prioritäten. In diesen Fällen geht es darum, Menschen und Organisationen darin zu begleiten, sich so schnell wie möglich auf die neuen Bedingungen einzustellen, kreative Lösungen zu finden, um ihre Ausrichtung und Funktionsweisen anzupassen.


Andere Menschen und Organisationen sind noch viel stärker in Ihrem eigentlich Sinn durch die Pandemiegesellschaft bedroht: Künstler, Gastronomie, Tourismus, lokaler Handel... Aber wir kennen auch Kliniken und Medizintechnikfirmen, die alle Ihre Mitarbeitenden in Kurzarbeit schicken, weil ihre Angebote nicht systemrelevant für den Kampf gegen Corona sind. Hier ist es noch viel essentieller, dass wir diese Menschen und Organisationen dabei unterstützen, neue kreative Lösungen zu finden, wie Sie sich umstellen können, ohne einfach nur mittels massiver staatlicher Förderung "durchzuhalten". Es braucht Lösungen auf Fragen wie "Wie können Firmen in Kurzarbeit, andere Firmen unterstützen, die gerade ihre Aufgaben kaum noch bewältigen können?", "Welche gesellschaftlichen Herausforderungen brauchen mehr Aufmerksamkeit und aktiv darin tätige Organisationen und welche weniger?", "Wie können wir gesellschaftliche Ressourcen wie Material, Räume sowie menschliche Arbeitszeit und Kreativität möglichst schnell diesen drängenden Fragen dieser Zeit zukommen lassen?", "Was wollen wir als Gesellschaft bewahren und was vielleicht auch nicht - vom lokalen Geschäft um die Ecke bis zur globlen Fluggesellschaft?", "Welche neuen Netzwerke, Unterstützungsformen und Prozesse braucht es dafür?". Diese Fragen brauchen sehr spezifische Antworten in vielen verschiedenen Branchen und Gesellschaftszweigen. Und dafür braucht es Austauschforen und Vernetzung.


Hierin liegt die große Herausforderung für die nächsten Wochen und Monate. Es ist nicht die Frage, wie lange wir durchhalten müssen, sondern wie wir diese Zeit nutzen, um die notwendigen Veränderungen zu gestalten - die notwendigen und die gesellschaftlich wünschbaren. Hierin liegt die größte Chance der Krise: Denn eins ist klar, den Status Quo gibt es nicht mehr. Nun gilt es, das Heute und das Morgen gemeinsam kreativ zu gestalten.


Ich überlege / Wir überlegen gerade, wie wir als Coachingzentrum und als Netzwerk von Firmen und Beraterinnen und Trainern diese Fragen und Herausforderungen unterstützen können - ob es hierzu einen virtuelle Konferenz zur "agilen Pandemiewirtschaft in Südbaden" braucht, um Akteure der Branchen miteinander zu vernetzen und zu diesen Fragen ins Gespräch und in die Aktion zu bringen? Oder ob es etwas ganz anderes braucht. Wenn Sie als Organisation diesen Weg unterstützen oder eigene Ideen beisteuern wollen, melden Sie sich gerne bei uns.


Herzlich

Peter Behrendt - Geschäftsführer Coachingzentrum und Freiburg Institut


bottom of page